Energiekommune: Wie lässt sich die Umsetzungswahrscheinlichkeit eines Klimaschutzkonzeptes erhöhen? Bieber: Es sollten keine utopischen Maßnahmen aufgeführt sein. Wenn etwa ein Pumpspeicherwerk politisch nicht gewollt ist, macht es keinen Sinn, es in das Konzept reinzuschrei- ben. Im Vorfeld auszuloten, wie die Ämter und die Politik ticken, ist we- sentlich für den späteren Erfolg eines Konzeptes. Was spielt noch eine Rolle? Wichtig ist, dass das Konzept vom Gemeinderat mitgetragen wird und von ihm beschlossen wird. Dann fällt es der Politik schwer, später gegentei- lige Beschlüsse zu fassen. Der Beschluss für ein Klimaschutz- konzept ist gefällt – wie geht es weiter? Das Konzept darf nicht im stillen Kämmerlein erstellt werden. Die maßgeblichen Stellen der Verwal- tung, aber auch Akteure wie Hand- werker und Umweltverbände müs- sen im Vorfeld gut beteiligt werden. Lohnt es sich auch, das ortsansässige Gewerbe und Industrie mit einzube- ziehen? Unbedingt. Gewerbe und Industrie verursachen durchschnittlich etwa ein Drittel, in manchen Kommunen sogar mehr als die Hälfte aller CO2- Emissionen. Leider ist dieses Potenzi- al zur CO2-Minderung erfahrungsge- mäß schwierig zu erschließen. Warum? Da muss man ganz dicke Bretter bohren. Die Unternehmen haben andere Sorgen, Energiekosten sind oft nachrangig. Viele von ihnen haben auch Vorbehalte, Externe in ihren Be- trieb hineinzulassen. Immerhin profitieren sie ja selbst von niedrigeren Energiekosten. Ja, das schon, die Erwartungen be- züglich der Kapitalrückflusszeiten sind allerdings hoch. Aber oft ist es auch so, dass Investor und Nutznießer verschieden sind. Investiert die Kom- mune etwa in eine Sanierungs-Kam- pagne, profitiert vor allem die Bau- wirtschaft davon. Aber auch die Kommune, indem sie ihre Klimaziele erreicht. Um das zu überprüfen, sind klare Zuständigkeiten für Kontrolle und Berichtswesen wichtig. Hier können Kommunen mit dem European Energy Award auf ein fertiges Instru- mentarium zurückgreifen. Er eignet sich auch gut für das Marketing und die Selbstdarstellung der Kommune. Öffentlichkeitsarbeit ist wichtig. Ja, auf jeden Fall. Viele Themen kann eine Kommune nur indirekt beein- flussen. Will sie etwa Hausbesitzer motivieren, Energie zu sparen, geht das nur mit Kampagnen. Wo sollte die Stelle des Umsetzers ei- nes Konzeptes angesiedelt sein? Auf Augenhöhe mit Bürgermeister, Gemeinderat und Amtsleitern. Wün- schenswert wäre daher die Einrich- tung einer Stabsstelle mit der ent- sprechenden Autorität, Maßnahmen auch wirklich umzusetzen. In der Praxis sind die Stellen aber leider oft bescheiden dotiert und zeitlich befristet. Das macht es schwierig, er- fahrene Leute zu gewinnen. Interview: Barbara Frey K L I M A S C H U T Z 10 auch wenn die städtischen Liegen- schaften nur mit wenigen Prozent der gesamten CO2-Emissionen zu Buche schlagen. Zum einen fehlt der Kommune sonst die Glaubwürdig- keit, auf andere wichtige Mitspieler wie private Haushalte oder Industrie- unternehmen einzuwirken. Außer- dem sind Erfolge in den eigenen Rei- hen oft schneller zu erzielen. In Dessau-Roßlau wiegen die er- reichten Einsparungen die Personal- kosten für Klimaschutzmanager Wil- leke mehr als auf. Hier spart die Stadt jährlich 195000 Euro oder 1470 Ton- nen CO2 ein, weil sie die Lüftungsan- lagen im Klinikum saniert und optimiert hat. Die Umstellung der Erdgasbusse auf Bioerdgas, das aus landwirtschaftlichen Reststoffen ge- wonnen wird, spart jährlich 61000 Euro. Vom Ziel, den Pro-Kopf-Aus- stoß von CO2 auf klimaverträgliche 2,5 Tonnen zu senken, ist auch Dessau- Roßlau noch ein gutes Stück ent- fernt. Willeke, der nach eigener Aus- sage bisher vorwiegend „tiefhängende Früchte“ geerntet hat, möchte sich zukünftig mehr den Unternehmen und dem Verkehr widmen. Und der Umweltbildung. „Denn das sind die Entscheider von morgen“, so der Kli- maschutzmanager. BarbaraFrey JANUAR 2013Energiekommune HARALD BIEBER: „Ein Konzept soll keine Utopien enthalten“ Harald Bieber leitet den Fachbereich Klimaschutzkonzepte der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA). Er hat unter anderem bei der Er- stellung von Konzepten für Aalen, Pforz- heim und Offenburg mitgewirkt. Foto:KEA